Südwestpresse 07.11.14, Einsetzung Frau Brenner | 06. Nov. 2014
Lichtenstein
Titanic oder Kreuzfahrtschiff
Angelika Brenner (44) wurde am Mittwoch als neue Rektorin der Grund- und Werkrealschule Lichtenstein offiziell eingesetzt. Ob die Werkrealschule aber noch eine Chance hat, ist mehr als fraglich.
Die Bühne in der Aula der Uhlandschule war einem Schiff gleich gestaltet. Dort musizierten, spielten und sangen die Schüler, es gab reichlich Applaus. Daneben stand das Rednerpult. Und dort ging es neben freundlichen Worten zur Amtseinsetzung der neuen Rektorin auch um die ungewisse Zukunft der GWRS im Ortsteil Unterhausen. Es gibt in diesem Schuljahr keine fünfte Klasse mehr, was darauf hindeutet, dass die GWRS wenig Chancen hat, eine veritable Gemeinschaftsschule zu werden.
Das ficht Angelika Brenner indes nicht an. Sie wusste, was in Lichtenstein auf sie zukommen werde. Die Pädagogin, die an der PH Weingarten Mathematik und Musik für ihr Lehramt studiert hatte, sagte am Ende der Veranstaltung beziehungsreich: „Ich sehe die Chance, unsere Schule neu zudenken – kommen sie an Bord, werden Sie ein Teil unserer Gemeinschaft.“
„An Bord“ also, das war in vielen Variationen das Motto der Amtseinführung der 44-jährigen Würtingerin. Wird die Werkrealschule gewissermaßen als Titanic enden, oder wird sie als gut ausgestattetes Kreuzfahrtschiff weiterhin bestehen bleiben – dann neu ausgerichtet als Gemeinschaftsschule? Davon hat Angelika Brenner übrigens eine Menge an profunder Erfahrung: Sie kommt von der Barbara-Gonzaga-Schule in Bad Urach, einer der ersten Gemeinschaftsschulen im Land.
Die Vertreter des Schulamts jedenfalls übten sich am Mittwoch in diplomatischer Zurückhaltung. Von Bernd Sitzler bekam die Rektorin einen Blumenstrauß – und von Roland Hocker, dem Leitenden Schulamtsdirektor in Tübingen, die Worte: „Wir können nur umsetzen, was der Landtag beschließt.“ Genauer: „In der Raumschaft hier ist noch nichts entschieden, aber wir sind die Makler, um mit Ihnen gemeinsame Sache zu machen.“
In der Tat sei die Situation „für Sekundarstufen in der Raumschaft schwierig“, fügte er an und sagte: „Werfen Sie die Flinte nicht ins Korn, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.“ Und einen positiven Aspekt sieht Hocker durchaus: „Eine gesunde Basis für eine Gemeinschaftsschule sind ja die guten Räumlichkeiten hier“.
Hocker dankte Helmut Sieber, der als Konrektor über ein Jahr lang kommissarisch das Steuerruder des Schiffes übernommen hatte. Auch der Vorgänger und eifrige Verfechter einer Gemeinschaftsschule, Klaus-Dieter Fink, war zu dem fest gekommen. Im ersten Anlauf hatte das Land im Februar 2013 die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule in Unterhausen abgelehnt.
Die GWRS Lichtenstein ist im Teilort Unterhausen auf zwei Standorte aufgeteilt. So besuchen derzeit 250 Grundschüler und 65 Werkrealschüler die Uhlandschule und die Außenstelle Karl-Bröger-Schule. Dort ist außerdem eine Grundschulförderklasse als Außenstelle der Laiblinschule Pfullingen eingerichtet. Insgesamt sind in Lichtenstein an der GWRS 25 Lehrkräfte tätig.
Konrektor Helmut Sieber beschwor in seinem Grußwort den Gemeinschaftsgeist der „Schiffsbesatzung“. Und es gebe „hier bei uns auch noch Schätze zu entdecken und zu heben“, so Siebers herzliche Einladung an Angelika Brenner. Sieber zitierte John F. Kennedy: „Es gibt nur eines was teurer ist als Bildung – keine Bildung.“ Lichtensteins Bürgermeister Peter Nußbaum würdigte „das überzeugende Schulprofil“ der GWRS. Er lobte das gute Umfeld mit Förderverein, Mentoren, den Pfarrern, der Schulsozialarbeit und den sehr aktiven Eltern.
Mit Witz und Esprit traten die Schüler in Erscheinung : „Wir sind Kinder einer Welt und trommeln, wie es uns gefällt“, sangen sie – als Seeräuber sitzend in ihrem Schiff.
Elternbeiratsvorsitzender Michael Fuchs versicherte der neuen Rektorin: „Auf uns können Sie zählen“, zumal Brenner ja auch eine gute Teamplayerin sei. „Ich bewundere Ihren Mut, trotz allen Diskussionen von der Alb hier herunter gekommen zu sein.“
Angelika Brenner versprach, weiterhin „Bewegung ins Lehren zu bringen“, dies auf einem Schiff, dass derzeit nurmehr 40 Kinder in den Klassen sechs bis neun zählt.
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